Historische Meilensteine der Ammertalbahn
Wie alles begann
Bereits kurz nach 1900 drängten die Gemeinden rund um Tübingen und Herrenberg auf den Bau einer Bahnstrecke. Die Anbindung Tübingens an Stuttgart über Plochingen war unpraktisch und sorgte für Unzufriedenheit. Man erhoffte sich wirtschaftliche Impulse durch eine bessere Verkehrsverbindung.
Nach langem Ringen wurde am 1. Februar 1902 der Bau beschlossen. 1904 folgte die Entscheidung zum Bau des Schlossbergtunnels. 1905 schloss Herrenberg stellvertretend für die Strecke einen Vertrag mit der königlich württembergischen Staatseisenbahn.
Doch nicht alle begrüßten das Vorhaben: Eine Bürgerinitiative setzte sich für den Erhalt der Spazierwege entlang der Tübinger Alleen ein – aus dieser Bewegung ging der Schwäbische Heimatbund hervor, der später die Reaktivierung der Strecke mit vorantrieb.
Technische Herausforderungen wie der sumpfige Untergrund im Ammertal, der Bau des Aquädukts für den Ammerkanal und die Errichtung der ersten Eisenbetonbrücke Württembergs forderten die Ingenieure heraus.
Am 12. August 1909 fuhr der erste fahrplanmäßige Zug. Die offizielle Eröffnung erfolgte am
28. April 1910, nach Fertigstellung des Abschnitts Pfäffingen – Tübingen inklusive Tunnel.
Die Strecke brachte große Vorteile für Pendler, Schüler und die Wirtschaft: Es entstanden Gipswerke, industrielle Standorte und ein boomender Hopfen- und Zuckerrübenhandel. Selbst Schafe wurden per Bahn zu Winterweiden transportiert.
Niedergang und Stilllegung
Ab den 1920er-Jahren wurde die Bahn durch den wachsenden Bus- und Straßenverkehr zunehmend verdrängt. In den 1960ern sanken die Fahrgastzahlen drastisch, sodass 1966 der Abschnitt Entringen – Herrenberg für den Personenverkehr geschlossen wurde, 1973 auch der Güterverkehr.
1989 wurde der vollständige Stilllegungsantrag gestellt.
Reaktivierung & Neuanfang
Zahlreiche Kommunen, Verbände und Initiativen setzten sich für eine Wiederbelebung ein. Der Zweckverband ÖPNV im Ammertal (ZÖA) wurde am 26. Juli 1995 gegründet und übernahm die Strecke 1996 symbolisch für eine D-Mark von der DB.
Nach Sanierungsarbeiten und Investitionen in Höhe von ca. 18 Millionen Euro konnte am 31. Juli 1999 der gesamte Betrieb für den Personenverkehr wieder aufgenommen werden. Die Geschwindigkeit wurde auf 100 km/h erhöht, Bahnübergänge modernisiert und ein neues Verkehrskonzept etabliert. Bis 2019 nutzten täglich durchschnittlich 8.588 Fahrgäste die Ammertalbahn.
Heute: Teil der Regionalstadtbahn Neckar-Alb
Die Ammertalbahn ist heute ein zentraler Baustein der künftigen Regionalstadtbahn Neckar-Alb. Bereits 2016 wurde das Planfeststellungsverfahren zur Elektrifizierung und für den teilweisen zweigleisigen Ausbau gestartet. Der entsprechende Beschluss erging am 16. Mai 2017.
Der Ausbau umfasste:
- eine 1,4 km lange Doppelspur bei Unterjesingen
- eine weitere 1,9 km lange Doppelspurinsel bei Entringen
- einen neu geordneten Bahnhof Entringen und Haltepunkt Unterjesingen Sandäcker
- zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen
- den neuen Bahnübergang Mädlesbrück als Ersatz für den Reustener Weg
Auch der Haltepunkt Altingen erhielt ein zweites Gleis.
Die Baumaßnahmen wurden am 28. November 2022 abgeschlossen – trotz Herausforderungen durch Corona, Schienenersatzverkehre und Materialengpässe.
Seit dem Fahrplanwechsel sind nun sieben moderne Elektrotriebwagen im Einsatz – ein wichtiger Schritt in Richtung umweltfreundlicher, leistungsfähiger Mobilität in der Region.